News und Facts zu Freiheit in der Kirche
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Medieninformation Herbert Haag Preis 2024
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Kommentar von Dr. Erwin Koller zur Missbrauchsstudie (Zürich, 12.09.2023)
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Selbstverlust und Gottentfremdung
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Missbrauchsstudie (Zürich, 12.09.2023)
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Gottes starke Töchter - Frauen und das Amt im Katholizismus: 18.-19. September 2023 in Leipzig und im Stream
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"Vorboten einer Kirche von morgen»
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Newsletter 02/2023
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Bischof und Herbert-Haag-Preisträger (1995) Jacques Gaillot ist gestorben
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Dokumentarfilm Queer Glauben
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Newsletter 01/2023
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«Santo subito!»
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Joseph Ratzinger – Die Tragik einer überforderten Karriere
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Newsletter 01/2022
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Jahresbericht 2022
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Adventsbrief 2022
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Teresa Berger: «Ich habe schon mit Papst Franziskus konzelebriert»
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Vor 100 Jahren wurde der Moraltheologe und Ethiker Stephan Pfürtner geboren.
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Katholische Kirchenkritik
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Matthias Drobinski, Preisträger der Herbert Haag Stiftung im Jahr 2006
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Gegen einen klerikal verengten Blick
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Zitate von Hans Küng
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Catholic Women
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Liebe, Laster, Lust und Leiden
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Frauen und kirchliches Amt
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Verratene Prophetie
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Prof. Dr. Leo Karrer am 08.01.2021 im Alter von 83 Jahren verstorben
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Freundesbrief Advent 2020
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Jahresbericht 2020
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Zwei Publikationen zum 100. Geburtstag Kurt Martis
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Aufruf zur Eigenverantwortung der Gemeinden
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Appel pour se prendre en charge!
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Call for self-empowerment
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Interview mit dem neuen Stiftungspräsidenten
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Eine Kultur der Freiheit in Kirchen und Religionen
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Preisverleihung 2020 /21
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Homosexualität - eine Herausforderung für die Kirchen
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Kein Ja und kein Nein
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Prof. Hans Küng: 40 Jahre Entzug der Lehrbefugnis
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Was zögert ihr noch? Die Zukunft gehört nicht den Mutlosen!
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Freundesbrief Advent 2019
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Jahresbericht 2019
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Ein kleiner Anstoss, der den Stein ins Rollen bringt
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Einladung zur Preisverleihung 2020
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Strahlende Preistragende bei strahlendem Sonnenschein
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Freundesbrief Advent 2018
Der Brief des Stiftungspräsidenten an alle Freundinnen und Freunde der Freiheit in der Kirche
Dr. Erwin Koller, Präsident
Liebe Freundinnen und Freunde der Freiheit in der Kirche
Am 11. November kamen in Sursee 5000 Schaulustige zusammen, um das alte Spektakel der «Gansabhauet» zu verfolgen. Zwei tote Gänse wurden auf dem Rathausplatz aufgehängt. Das Los bestimmte die Reihenfolge der «Schläger», die mit verbundenen Augen den Hals zertrennen sollten. Bei der ersten Gans brauchte es drei, bei der zweiten nur noch einen «Schläger». Die Martinigans ist auch anderswo populär. Der Tag wird mit Laternen und Umzügen gefeiert, und einigen Narren läutet er die fünfte Jahreszeit ein. Was aber hat die Gans mit dem heiligen Martin zu tun, der seinen Mantel mit dem Bettler teilt? Dies ist doch eher ein Symbol der christlichen Botschaft als eine tote Gans.
Dass Martin, 316 im ungarischen Pannonien als Sohn eines römischen Tribuns geboren, Soldat wurde, erstaunt kaum. Eher schon, dass er sich mit 18 Jahren taufen liess, ein asketischer Mönch wurde und 361 in Tours das erste Kloster Galliens gründete. Vorbild waren ihm die Wüstenmönche in Theben, die Pachomius – auch er ein Soldat des römischen Kaisers Konstantin – 325 zu Gemeinschaften zusammenführte, in denen sie Jesus radikal nachfolgten. Martin stand früh im Ruf eines Heilers und Wundertäters, so verwundert nicht, dass man ihn 372 zum Bischof von Tours weihen wollte. Nach der Legende wehrte er sich und versteckte sich bei den Gänsen. Doch als man ihn suchte, verrieten sie ihn mit ihrem Geschnatter – ähnlich wie einst die Gänse auf Roms Kapitol. Und eben dafür werden sie mit der «Gansabhauet» sozusagen bestraft.
So wurde Martin contre coeur zum Bischof geweiht. Dass mit der Weihe zum kirchlichen Amt seine charismatische Geistkraft verloren gehen könnte, befürchteten schon seine Mitbrüder, und Martins Biograf Sulpicius Severus bestätigt, dass ihm als Bischof «keineswegs die gleiche Wunderkraft zu Gebote» stand wie zuvor.
Für den Kirchenhistoriker Hubert Wolf ist diese Aussage «voller Sprengkraft». Martin von Tours vergab schon als Mönch Sünden – kraft seiner Askese, nicht kraft der Weihegnade; denn Mönche waren damals durchwegs Laien. «Nach dem Ende der Christenverfolgungen im Römischen Reich übernahmen die Asketinnen und Asketen weitgehend die Funktion der Märtyrer. Zu einem Märtyrer konnte man am Tag vor seiner Hinrichtung hingehen und ihn für sich selbst um Vergebung der Sünden bitten oder ihm ein anderes Bittgesuch bei Gott mitgeben.» Die «klerikale Überformung des Mönchtums» liess dies vergessen. Nur in der irischen Kirche spricht vieles dafür, «dass auch Mönche und Nonnen, insbesondere Äbte und Äbtissinnen, als Beichtväter und -mütter tätig waren».
Die Karolinger verehrten jedoch Martin von Tours als Soldaten und Heiligen der Caritas. Seine Vollmacht als Asket blendeten sie bewusst aus. Charismatische Vollmachten jenseits von Weihen achtet auch die Kirche bis heute nicht. Warum? Die in ihrer Geschichte gelebten Alternativen lassen mich mit Hubert Wolf fragen, «ob dieser Weg zur Erlangung seelsorgerlicher Vollmachten nicht auch institutionell anerkannt und entsprechend honoriert werden könnte», indem man frühmittelalterliche Formen für heute fortentwickelt.Die Geschichte von Martin ist seltsam aktuell, ja voller Sprengkraft, wenn man auf den äusserst blamablen Zustand des heutigen Klerikerstandes blickt. Die Entwürdigung junger Menschen, das Verschweigen der Verbrechen vor allem durch Bischöfe und die Miss-achtung der Opfer lösen Schmach und Schande aus. Dazu bei-getragen hat die Theologie mit ihrem Konzept von Weihe, Sonderstatus, Unberührbarkeit und mit der gnadentheologisch goldrichtigen, aber kasuistisch verdorrten Auffassung, dass auch ein Schnapspriester Gnaden spenden kann, um mit Graham Greene zu sprechen. Die kraftvolle Askese nach dem Vorbild Martins jedoch hat man eingedampft zum Zölibatsgesetz.
Hunderttausende leiden unter Wut und Verzweiflung an einer Kirche, die sie einmal liebten und vielleicht immer noch lieben, deren DNA jedoch fehlgeleitet ist. Weil der Klerus sich so wenig an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann wie Baron Münchhausen, müssen qualifizierte Laiengremien Verantwortung übernehmen. Ich appelliere in der Schweiz an die Landeskirchen und in Deutschland und Öster-reich an die Kirchenvolksbewegungen und das Zentralkomitee: Schaffen Sie – wo sie noch fehlen – hierarchie-unabhängige Ombudsstellen, bei denen sich Opfer melden können und Beratung, Begleitung und Therapieangebote erhalten! Errichten Sie Gremien, die aktiv Supervision betreiben und mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet sind! Fordern Sie die Kirchenleitungen heraus, denn sie verpflichten sich freiwillig zu nichts, was weh tut!
Zur Illustration nur ein Beispiel: Franziskus kritisiert den Klerikalismus und fordert die regionalen Kirchen auf, Eigenverantwortung zu übernehmen. Die halbwegs zur Selbstkritik bereite US-amerikanische Bischofskonferenz will sich im November in Baltimore zwei Tage lang mit Beschlussvorlagen zum Missbrauchsskandal auseinandersetzen. Doch die römische Bischofskongregation verbietet dies ultimativ, weil sie «Schwierigkeiten mit der Auslagerung von klerikaler Verantwortung» (!) habe (kath.ch 13.11.18).
Ein Kulturwandel ist unabdingbar. Jesus weihte weder Priester noch Bischöfe. Da sind auch Theologinnen und Theologen gefordert. Ich bitte Sie: Hören Sie auf, ein Kirchengesetz zu dulden, das den Gläubigen die Eucharistie verweigert! Bringen Sie eine menschliche, biblisch begründete Sexualethik, die Sie längst kennen, endlich unter das Volk! Entziehen Sie dem Klerikalismus und der Zwei-Stände-Kirche den Boden! Erwarten Sie aber keinesfalls, dass die Frösche den Sumpf trockenlegen! (Matthias Katsch)
Und Sie, Priester und Bischöfe, vereinbaren Sie ein Moratorium, während dem sie nicht mehr von der «heiligen» Kirche reden, auch nicht in der Liturgie; das ist nur noch eine pathetische Lüge! Machen Sie endlich Ernst mit der Würde und Gleichberechtigung der Frauen, ohne jede Floskel! Schaffen Sie in Ihren Reihen nicht weitere Opfer einer rigiden Sexualmoral, die ihr eigenes Versagen an den Schwächsten der Gesellschaft auslassen!
Ihnen aber, den vielen Männern, die ihr Leben lang den priesterlichen Dienst treu erfüllt haben, versichere ich: Glauben Sie nicht, dass wir Ihr Tun und Wirken nicht schätzen! Wir brauchen nur klare Worte, um das Geschnatter der Gänse von Ihnen abzuwenden!
Im Geist, der frei macht, entbiete ich Ihnen, liebe Freundinnen und Freunde der Herbert Haag Stiftung für Freiheit in der Kirche, meine besten Wünsche für gesegnete Weihnachten und für das kommende Jahr, und ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung.(Zitate und Hintergründe bei Hubert Wolf: Mönche und Nonnen. Höchste Autorität durch radikale Nachfolge. In ders.: Krypta. Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte. München 2015, 115–128.)
Luzern, im Advent 2018
Dr. Erwin Koller, Präsident
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Jahresbericht 2018
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Es kracht im Gebälk der katholischen Kirche
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Dank an Andreas Heggli