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Preisverleihung 2020/21

Gottes Liebe ist bunt

Bei der Preisverleihung kommen alle Preisträger zu Wort und Prof. Dr. Stephan Goertz, Professor für katholische Moraltheologie (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) erklärt im Interview mit Olivia Röllin, warum die katholische Kirche vor einer Revision ihrer Lehre über Homosexualität steht.

Gott hat seine Geschöpfe vielfältig geschaffen. So steht es den Kirchen gut an, die Sexualität der Menschen in ihrer ganzen Buntheit als Geschenk des Himmels zu respektieren, wie sie aus Gottes schöpferischer Liebe hervorging – ohne jede Diskriminierung.
Der Herbert Haag Preis 2020/2021 stellt die konstruktive Auseinandersetzung mit sexueller Vielfalt ins Zentrum. Den Preis erhalten Menschen, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz zu ihrer gleichgeschlechtlichen Orientierung und Identität bekennen bzw. Christinnen und Christen auffordern, sie zu achten. Die Stiftung setzt sich dafür ein, dass sie alle aufgrund ihrer Menschenwürde voll am gesellschaftlichen und kirchlichen Leben teilnehmen können.
Mit dem Preis (je 10'000 Schweizerfranken) ausgezeichnet werden

  • der spirituelle Autor Pierre Stutz (ehemals katholischer Priester des Bistums Basel),
  • die lutherische Pfarrerin Dr. Hedwig Porsch aus Coburg (ehemals katholische Theologin).
  • der lutherische Pfarrer Dr. Ondrej Prostredník aus Bratislava (ehemals Lehrstuhlinhaber für Neues Testament) und
  • die 1977 gegründete Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK)

Stimmen aus dem Stiftungsrat zur Preisvergabe

Dr. Odilo Noti, Stiftungspräsident

« Vier Zeugnisse und viele Lebensdramen stehen im Zentrum der diesjährigen Preisverleihung. Er ist nach wie vor hoch, der Preis für gelebte Homosexualität in Kirche und Gesellschaft. Unsere Stiftung verbeugt sich vor den vielen Menschen, denen die Kirchen Unrecht angetan haben, und sie reicht ihnen die Hand zum Zeichen der Solidarität. »

Prof. Dr. Irmtraud Fischer, Stiftungsrätin

« Immer wieder wird behauptet, dass der biblische Befund zur Ablehnung von Homosexualität eindeutig sei. Dabei verweist man auf das Verbot aus Lev 18,22 und 20,13 im Heiligkeitsgesetz, sich zu einem Mann zu legen, wie man sich zu einer Frau legt. Keine andere der vielen Rechtssammlungen des Alten Testaments kennt ein solches Verbot. Zudem ignoriert man Texte, die von lebenslanger Liebe zweier Frauen wie Rut und Noomi und zweier Männer wie Jonatan und David erzählen. »

Prof. Dr. Sabine Demel, Stiftungsrätin

« Die Stiftung zeichnet Dr. Hedwig Porsch aus, denn sie tritt für die Freiheit in der Kirche am heikelsten Punkt des Mensch- und Christseins ein. Sie ist dadurch eine Anwältin für die Freiheit in der Kirche auf die eigene Sexualität, auf das eigene Körperempfinden, auf das eigenständige Recht der sexuellen Lust als Gottes gute Gabe geworden und es auch bis heute geblieben. »

Hugo Keune, Stiftungsrat

« Obwohl in Staaten wie Deutschland, Österreich und der Schweiz die 'Ehe für alle' eingeführt wurde und die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gesetzlich verboten ist, hat sich im Vatikan bis anhin in Sachen Homosexualität wenig getan. Vor diesem Hintergrund bezieht die Herbert Haag Stiftung bewusst Position und zeichnet mit ihrem Preis Menschen aus, die von religiös motivierter Diskriminierung betroffen oder gar von einem intoleranten Dogmatismus marginalisiert worden sind. »

Detailinfos zu allen Preistragenden 2020/21

Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) wurde 1977 auf dem Evangelischen Kirchentag in Berlin gegründet und ist inzwischen auch auf den katholischen Kirchentagen präsent. Sie setzt sich mit dem Konfliktfeld Homosexualität in Kirche und Religion fundiert auseinander und hat dazu schon viele Grundlagenarbeiten verfasst sowie Aktionen und Stellungnahmen in der Öffentlichkeit lanciert. Ihre überkonfessionelle Arbeit wird vor allem in Arbeitsgruppen und in den regelmässigen Frühjahrs- und Herbstagungen vertieft. In der Präambel ihrer Satzung steht: «Wir verstehen homo-, bi- und heterosexuelles Empfinden und Verhalten als gleichwertige Ausprägung der einen menschlichen Sexualität. Auch verschiedene geschlechtliche Identitäten wie die von trans- und intergeschlechtlichen Menschen und Varianten der Geschlechtsentwicklung nehmen wir als Bereicherung wahr.»

Dr. Hedwig Porsch (geb. 1969) studierte katholische Theologie und war sechs Jahre als Pastoralreferentin in der Diözese Würzburg tätig. 2002 kündigte sie ihr Dienstverhältnis und promovierte zum Thema «Gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaft im Diskurs» an der Fakultät für katholische Theologie in Bamberg. In dieser Zeit arbeitete sie mit Zeitverträgen als Gymnasiallehrerin für Katholische Religionslehre in Nürnberg und engagierte sich im Queergottesdienst Nürnberg, auf Kirchentagen, mit Vorträgen und Veranstaltungen für die Anerkennung von homosexuellen Menschen in der katholischen und evangelischen Kirche. Nachdem sie in der katholischen Kirche deutschlandweit keine Festanstellung mehr fand und diese zur Bedingung gehabt hätte, ihre gleichgeschlechtliche Partnerschaft zu verheimlichen, wechselte sie zunächst als Bildungsreferentin in die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern. In diese trat sie 2014 über und wurde 2015 zur Pfarrerin ordiniert. Seitdem wirkt sie als Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Heiligkreuz im oberfränkischen Coburg. – Hedwig Porsch ist verheiratet mit Sylvia Gebhart.

Dr. Ondrej Prostredník (geb. 1963) durchlief die Ausbildung zum lutherischen Theologen in Bratislava, Leipzig und Philadelphia (USA) und war zunächst als Gemeindepfarrer in Pliešovce und Nitra (Slowakei) tätig, dann beim Lutherischen Weltbund in Genf und von 2002 bis 2007 Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in der Slowakei. Seine Habilitation verfasste er über „Die Kirche als charismatische Gemeinschaft nach 1 Kor 12»; von 1999 bis 2018 hatte er den Lehrstuhl für Neues Testament an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Comenius Universität in Bratislava inne und legte seinen Schwerpunkt auf die ethischen Aspekte des Neuen Testamentes sowie auf die Ökumene und den interreligiösen Dialog. Zusammen mit anderen Theologen kritisierte er 2015 die Kirchen der Slowakei wegen ihrer religiösen Intoleranz und Gegnerschaft gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LGBT) und gegen gleichgeschlechtliche Ehen. Aus diesem Grund entzog ihm die lutherische Kirchenführung seine Lehrerlaubnis, und infolgedessen erneuerte die Universität seinen Arbeitsvertrag 2018 nicht mehr. Seither wirkt er als Missionsmitarbeiter der Evangelischen Kirchgemeinde Bratislava Altstadt und engagiert sich nach wie vor beim Thema Homosexualität und Kirchen. – Ondrej Prostrednik ist verheiratet und hat mit seiner Frau Edita drei Kinder.

Pierre Stutz (geb. 1953) ist Theologe und Autor vieler erfolgreicher Bücher. Er lebt heute mit seinem Partner in Osnabrück. Nach Tätigkeiten als Jugendseelsorger und Dozent am Katechetischen Institut in Luzern legte er 2002 sein Priesteramt in der Diözese Basel nieder und wirkt seither als weitherum bekannter spiritueller Begleiter. Zuerst gestaltete er die Abbaye de Fontaine-André bei Neuchâtel/CH als «offenes Kloster», seither hält er im ganzen deutschen Sprachraum Vorträge und Meditationskurse. Er plädiert für eine lebensbejahende Religiosität und eine erotische Spiritualität und stellt mit der Versöhnung von Sexualität und Spiritualität die Homosexualität in den grösseren Rahmen der gegenwärtigen Debatten um eine Korrektur und Erneuerung der kirchlichen Sexualethik («Deine Küsse verzaubern mich. Liebe und Leidenschaft als spirituelle Quellen», Freiburg/Br. 2015). – Pierre Stutz ist verheiratet mit Harald Weß.

Wir glauben, dass Gott die Menschen vielfältiger geschaffen hat, als viele sich vorstellen können. Und wir sind überzeugt, dass es den Kirchen schlecht ansteht, Gottes schöpferische Liebe einzugrenzen. Die Sexualität ist wie das Leben selbst ein Geschenk des Himmels. Solidarität und nicht Diskriminierung ist darum Christenpflicht.

Pierre Stutz

Dr. Hedwig Porsch

Dr. Ondrej Prostredník

Vorstand der HuK

Hinweise
Rückfragen zur Preisverleihung nimmt gerne der Präsident der Stiftung entgegen:
Dr. Odilo Noti
E-Mail: Kontakt aufnehmen

Weitere Informationen über die Preistragenden sind zu finden unter:

Das Video der Preisverleihung ist ab Sonntag, 7. März 2021, 17 Uhr auf dieser Seite abrufbar.